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Schieflage in NRW
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Werte Kolleginnen und Kollegen,
educcare ist als Träger in fünf Bundesländern vertreten. Jedes Land bestimmt selbst, in welcher Höhe und für welche Leistungen es Kitas fördert.
Daher müssen wir uns mit fünf verschiedenen Förderbedingungen auseinandersetzen. Im besonderen Fokus stehen derzeit die Förderbedingungen in NRW, wo fast die Hälfte der educcare Kitas liegen.
Durch die sich seit Jahren verschärfende Unterfinanzierung, sind die Kitas in NRW für die aktuellen und kommenden Herausforderungen kaum gewappnet.
Auch wir kämpfen wie alle anderen Träger aktuell mit den Auswirkungen dieser mangelhaften Finanzierung. educcare ist robust aufgestellt – wir kommen jedoch in Situationen, in denen wir noch nicht waren. Und müssen daher Rücklagen auflösen und vermehrt auf Kosten achten und reduzieren.
Wieso ist die Situation in NRW so dramatisch?
In Deutschland gibt es zwei grundlegende Fördermodelle:
- In NRW und Bayern gibt es eine pauschalisierte Förderung, bei der es pro belegten Kitaplatz einen festen Betrag gibt – eben eine Pauschale je Platz.
- In Hessen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gibt es eine prozentuale Förderung der tatsächlich entstandenen Kosten in Abhängigkeit von der Belegung.
Bei der prozentualen Förderung werden aktuelle Kostenentwicklungen – z. B. bei den Personalkosten die Inflationsausgleichsprämie oder Tarifanpassungen – automatisch mitfinanziert.
Im Unterschied dazu, gibt es bei der Förderung mit Pauschalen keine automatische Anpassung. Das Land muss aktiv die Pauschalen erhöhen.
Bayern hat das getan und für dieses Jahr 7% draufgelegt und 10% für das kommende Jahr. Das deckt die aktuellen Kostensteigerungen ab, auch wenn Bayern insgesamt ebenfalls zu knapp finanziert.
NRW hat jetzt beschlossen, die Pauschalen ab August 2024 deutlich aber immer noch unzureichend anzuheben – das heißt mit einer Verzögerung von ca. 1,5 Jahren. Diese Entscheidung führt bei den Trägern im an sich schon unterfinanzierten System zu einer weiteren Finanzierungslücke – je volle Fachkraftstelle ca. 8.000 Euro Mehrkosten in diesen 1,5 Jahren.
Die Landesregierung weiß das und hat den Kitas in NRW eine Überbrückungshilfe von 100 Millionen zur Abfederung zugesagt (offen ist, wann diese Gelder fließen sollen). Das klingt toll und verkauft sich gut. Pro Kita in NRW bedeuten diese 100 Millionen Euro aber gerade einmal zusätzliche 12.000 Euro pro Kita. Das deckt ungefähr die zusätzlichen Kosten von 1,5 Fachkraftstellen.
Die NRW Familienministerin Paul spricht von einer „Verantwortungsgemeinschaft“ in diesen schweren Zeiten. Scheinbar bedeutet das für sie vor allem, dass sie neben Landesregierung und Kommunen auch die Träger in der Pflicht zur Finanzierung der Kitas sieht. Nur das Träger wie wir ohne eigene Einnahmen keine eigenen Mittel besteuern können. Das ist, als würde Ministerin Paul von den Stromlieferanten fordern, einen Teil ihrer Kosten selbst zu tragen, Kostensteigerungen erst viel später einzupreisen und auch keine Überschüsse machen zu dürfen.
Was tun wir gegen diesen unhaltbaren Zustand in NRW?
Wir sind mit dem Deutschen Kita-Verband sowie als educcare regelmäßig mit der Politik in deutlichen Diskussionen. Wir rechnen die Unterfinanzierung vor und weisen auf die Folgen hin, die sich auf die gesamte Gesellschaft auswirken. Wir legen konkrete Forderungen vor, die eine auskömmliche Finanzierung beinhalten und qualitative Pädagogik gewährleisten. Wir sind unbequem und unnachgiebig.
Wie in Düsseldorf bei der Demo gesehen, sind wir nicht allein damit. Die großen Wohlfahrtsverbände haben gleiche Themen, obwohl sie sich über andere Bereiche und Steuern querfinanzieren können. Aber sie beschweren sich schon, wenn sie ein paar hunderttausend Euro zuschießen müssen.
Nach WDR Angaben war das mit 25.000 Teilnehmenden die größte Demo vor dem Landtag in diesem Jahrtausend. Das erhöht die Hoffnung, dass es Änderungen geben wird. Auch die Politiker*innen fordern diesen Druck von der Gesellschaft ein. Denn vieles scheitert wohl gerade an der schwarzen Null bzw. der Schuldenbremse.
Wie sehr das Thema brennt, hat der WDR in diesem Beitrag aufgenommen: Kitas verzweifelt wie nie – Videos – Westpol – Fernsehen – WDR.
Uns ist Transparenz auf allen Ebenen wichtig. Deshalb gibt es am 30.10. eine Infoveranstaltung für alle educcare Elternbeiräte in NRW. Wir wollen vermeiden, dass Eltern ihren Unmut, beispielsweise bei nicht zu verhindernden Betreuungseinschränkungen, an den Fachkräften oder Kitaleitungen ablassen. Stattdessen wollen wir die Eltern dafür gewinnen, sich mit eigenen Aktionen an die Politik zu wenden.
Die Finanzierung der Kitas in NRW ist an einem Kipppunkt angekommen. Die Landesregierung muss handeln: entweder erhöht sie die Finanzierung bei gleichem Angebot oder sie reduziert das Angebot bei gleicher Finanzierung. Gleiches Angebot bei Unterfinanzierung funktioniert nicht.
Wir tun alles dafür, den Ministerpräsidenten sowie die Ministerin zu bewegen, frühe Bildung in NRW endlich angemessen zu finanzieren und den aktuellen Missstand aufzufangen.
Um keine Missverständnisse entstehen zu lassen: alle Finanzierungssysteme bei Kommunen und Ländern sind derzeit unter Druck. Alle müssen mit sinkenden Einnahmen und steigenden Kosten zurechtkommen. In NRW ist das Missverhältnis zwischen politischem Anspruch und Landesrealität nur am eklatantesten.
Wie gesagt – educcare ist robust aufgestellt. Wir werden gemeinsam auch diese Herausforderungen stemmen.
Herzliche Grüße
Marcus Bracht und Axel Thelen
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